Das DSO203 juckte mich schon länger, nun habe ich mir endlich so ein Teil zugelegt.
Bei Service-Einsätzen außer Haus war es mir stets ein Gräuel, mein klobiges, 6kg schweres Hameg-Oszi mitzuschleppen.
Ohne Auto, bin ich da ohnehin schon beladen, wie ein Packesel, mit einem großen Rucksack voller Werkzeug & Material, plus einem weiteren, schweren Werkzeugkoffer. Mit all dem Zeug muss ich dann in der Regel zuerst einen überfülltem Bus bewältigen, dann eine U-Bahn, mich am Hauptbahnhof durch Menschenmassen hindurch quälen, schließlich in die Fernbahn ...
Also blieb das Hameg oft Zuhause, wenn es verzichtbar erschien.
Doch laut Murphy braucht man es genau dann besonders dringend, wenn man es erstens nicht mit hat und zweitens der Weg besonders lang und beschwerlich war.
Es musste also dringend mal ein mobileres Gerät her.
Doch vor Ort lässt man neues, teures und "tragbares" Equipment nur ungern unbeaufsichtigt in einer Fabrikhalle stehen, wenn man mal auf Klo geht, oder in die Kantine.
Dabei brauche ich in aller Regel nur die simpelsten Grundfunktionen eines Oszis.
Mal 'nen Drehimpulsgeber überprüfen und so.
Zwei Kanäle sind da schon angesagt, vier wären der Traum. Und eine Speicherfunktion tat Not. Vollisolierung wäre auch schick - gar zu oft schon hatte ich mit meinem geerdeten Hameg 'nen Kurzschluss fabriziert, beim Messen an Klemmen, von denen einige unerwartet Netzspannung führten. Aber sonst sind bei (meinen) Service-Einsätzen keinerlei Schnickschnack-Funktionen erforderlich und schon ein geringer Frequenzgang reicht in so ungefähr 99,9% aller Fälle.
Das DSO203 erfüllt meine Anforderungen, das war mir schon lange klar.
Kompakt und leicht wie ein Smartphone, zwei analoge Kanäle plus zwei digitale - wunderbar!
Speicherfunktion vorhanden, sogar ein (simpler) Signalgenerator mit integriert - hier fängt direkt schon der Luxus an!
Und sogar FFT kann das Dingens, wenn man die entsprechende Software aufspielt.
Die Bedienung sollte angeblich grottig sein, wie man hier & da aufschnappen kann. Das nahm ich billigend in Kauf, doch ich wurde ganz positiv überrascht!
Hier meine ersten Messungen mit dem Teil:
Mit den zwei Analogkanälen überprüfe ich hier den Motor einer 2,5"-Festplatte.
Die beiden horizontalen Cursor stellte ich auf den Spitze-Spitze-Wert des türkisfarbenen Signals. Unten wird die Spannungsdifferenz in Ziffern angezeigt.
Die beiden vertikalen Cursor stellte ich auf die Spannungsspitzen zweier Perioden, damit unten auch die Periodendauer angezeigt wird.
Wie man sieht, sind die Signalformen komplex. Im folgenden Bild untersuche ich nur das türkisfarbene Signal mal genauer. Zuerst mit meinem ollen Hameg HM605:
Die nadelförmigen Einbrüche entstehen durch die Kommutierung der Motorphasen.
Man erkennt sechs dieser Kommutierungen, von Periode zu Periode.
Und nun zum Vergleich das DSO203:
Auf den ersten Blick schlägt das kleine Gerät sich echt gut, doch bei genauerem Hinsehen erkennt man, was ich insgeheim befürchtet hatte: Die Längen der schmalen Nadeln variieren von Periode zu Periode, obwohl das analoge Hameg doch ganz wundervoll identische Perioden darstellt.
Das kommt nicht gerade unerwartet, denn immerhin ist das DSO203 ein digitales Oszi und das muss nun mal sampeln, was nicht mit beliebig hoher Frequenz geht.
Bei jedem Refresh des Bildes tänzeln daher die Nadeln vertikal etwas herum.
Nicht schön, aber gut verzeihlich. Und wenn man um solche Dinge weiß und einem auch klar ist, dass sowieso jedes Messergebnis stets der Interpretation bedarf ("wer misst misst Mist!"), dann kann man damit leben, finde ich.
Insgesamt schlägt sich das überaus preiswerte Gerätchen hier sogar besser, als ich erwartet hatte.
Als nächstes untersuchte ich mal ein höherfrequentes Signal; hier der Ausgang eines GAL16V6, der von einem RC-Oszillator mit rund 1 MHz getaktet wird:
Man sieht den Überschwinger am Ende der steigenden Flanke und den Einbruch am Ende der fallenden Flanke.
Leider hatte ich hier die Y-Ausrichtung nicht ganz korrekt justiert und mich auch nicht um den unteren Cursor gekümmert, weswegen links unten eine unsinnige Spannungsdifferenz angezeigt wird. Aber mir ging es hier auch nur um die Frequenztauglichkeit. Eingestellt ist eine Zeitbasis von 0,2 Mikrosekunden pro Teilstrich. Das ist übrigens noch nicht das Ende der Fahnenstange, denn das DSO203 erlaubt sogar 0,1 Mikrosekunden pro Teilstrich, als kleinste Zeitbasis.
Doch vergleichen wir das mal mit dem Hameg:
Ups?
Wo sind denn die Überschwinger, nach der steigenden Flanke?
- Wer lügt hier: das Hameg, oder das DSO?
Misstrauisch geworden, stopfte ich den Tastkopf des Hamegs (wohl zum ersten Mal überhaupt) in die Kalibrierbuchse, bei 1 Mhz:
Gnaaa! Hier hätte ich ein klares Rechtecksignal erwartet!
Und der billige Tastkopf hat nicht mal ein Stellschräubchen.
Aber liegt es überhaupt am Tastkopf, oder spinnt etwa der Kalibrierausgang?
Also mal den Tastkopf vom DSO203 in die Buchse gestopft:
Hmmm, das sieht auch nicht viel anders aus ...
Anscheinend ist der Kalibrierausgang wohl nicht mehr in Ordnung. Das verbuche ich mal unter "später drum kümmern".
Jedenfalls erscheint mir das vom DSO203 angezeigte Signal am Ausgang des GAL16V8 plausibler, als das, was das analoge Hameg-Oszi darstellt.
Als vorerst letzten Test knöpfte ich mir eine Steckdose vor!
Ein echter Pirat fürchtet ja bekanntlich nicht den Tod, nicht den König und nicht den Klabautermann - sondern nur den Verlust von Ehre & Freiheit!
In dieser Geisteshaltung, nahm ich das Gerät mutig in der Hand (ich hatte bewusst die Version im Kunststoffgehäuse gewählt), stellte den Vorteiler im Tastkopf auf "x10" und stocherte - unter Einsatz meines Lebens, nur um Euch mit diesem Test zu beglücken - an 230V herum.
Natürlich muss man zumindest darauf achten, dass man mit der Messspitze an Phase geht und mit der Krokoklemme der Masseleitung an Null. Denn andernfalls läge Phase am blanken Metallteil des Tastkopfsteckers ...
Hier habe ich die Cursor mal korrekt eingestellt. Die unten in Ziffern dargestellte Spannungsdifferenz überrascht: 60V Spitze-Spitze.
Wegen dem Vorteiler im Tastkopf sind das natürlich "in Wahrheit" 600V, aber das kann nicht sein ...
Unsere Netzspannung sollte 230V betragen, effektiv. Multipliziert mit 2 x sqr(2), um den Spitze-Spitze-Wert zu erhalten, würde ich 650,5V erwarten, ergo ein Zehntel davon als Anzeige im unteren Ziffernfeld.
Mein altes Multimeter behauptete sogar, da wären 234V, was mich nun völlig unglücklich machte, denn dann müsste das Oszi (wegen dem x10 Vorteiler) sogar 66,2V anzeigen, statt 60,0!
Satte 10% Schwund!?!
Mein nagelneues Multimeter, das angeblich sogar True RMS kann, behauptete, es wären exakt 233V.
Es ist also offensichtlich, dass das DSO hier völlig daneben liegt.
Der untere Cursor könnte zwar vielleicht noch eine Spur tiefer, aber das würde nur wenig ändern, niemals etwas im Bereich von 10%.
Testweise einen anderen Tastkopf verwendet (falls der 10-fach-Vorteiler der Übeltäter sein sollte), brachte keine Änderung. Es ist also tatsächlich das DSO203, das hier völlig daneben liegt.
Insgeheim hatte ich mich schon vor dem Kauf damit abgefunden, dass ein derart billiges Gerät aus China schlimmstenfalls bis zu 10% daneben liegen könnte. Das es nun tatsächlich 10% sind, enttäuscht mich dann einerseits doch, andererseits bin ich noch immer geneigt, das zu verzeihen.
Ich erkläre es mir so, dass das Teil "out of the Box" vollkommen unkalibriert daher kommt.
Der Schaltplan des Gerätes ist frei im Netz verfügbar und ich weiß, dass das Gerät innen einige Kalibrierregler hat. Man kann da also sicher noch "was drehen".
Fazit bis hierhin:
Wer einen Schaltregler mit 97% Wirkungsgrad entwickeln will, weil die Konkurrenz nur 96,5% schafft, der braucht natürlich ein anderes Gerät.
Wer aber als mobiler Servicetechniker nur mal sehen will, ob ein Schaltregler überhaupt läuft, oder ob eine Gleichspannung wirklich brummfrei ist, oder ob ein Drehimpulsgeber das tut, was man von ihm erwartet, der wird das DSO203 lieben!
Das Gerät ist ausgesprochen "sexy", wie ein schickes Smartphone. An der Verarbeitung gibt es absolut nichts zu nörgeln, nur der seitliche Schiebeschalter zum Ein-/Ausschalten wirkt nicht sonderlich vertrauenserweckend. Ansonsten hat man wirklich nicht das Gefühl, hier billigen China-Schrott n den Händen zu halten, sondern eher ein kostbares, kleines Schmuckstück.
Die Bedienung hat mir nur die erste Stunde lang Frust beschert, dann hatte ich das Konzept verstanden. Seither kann ich flott und intuitiv jede gewünschte Einstellung vornehmen.
Selbstverständlich sind Drehregler immer komfortabler, als Taster, mit denen man sich durch Menüs hangeln muss. Aber es gibt hier keine kompliziert verschachtelten Menüs, sondern die Struktur ist einfach aufgebaut und sogar ziemlich effizient, wenn man denn erst mal begriffen hat, wie die zunächst recht sonderbar wirkende Navigation funktioniert.
Die Kritik der Zeitschrift c't, die das Bedienkonzept sehr bemängelte, kann ich nicht unterschreiben. Hier bin ich also wirklich positiv überrascht.
Leider habe ich keine Bilder davon, aber neulich hatte ich vor Ort beim Kunden den ersten Einsatz dieses Gerätes. Dort überprüfte ich einen PWM-Motorregler. Als ausgesprochen nützlich (gegenüber dem ollen Hameg) empfand ich das Feature, zusätzlich zur grafischen Darstellung den Prozentwert der PWM in Ziffern anzuzeigen, zu lassen!
Man drehte also am Poti des Geschwindigkeitsreglers herum und während sich die grafisch dargestellte Pulsbreite veränderte, sah man im Klartext die gerade aktuelle Pulsdauer als Prozentwert. Das ist sehr nützlich, um mehrere Motoren identisch einzustellen, oder die Helligkeit von Power-LEDs.
Insgesamt gefällt mir das Gerät ganz ausgesprochen gut und ich würde es auf jeden Fall wieder kaufen.
Wenn ich unbedingt nörgeln müsste, dann würde ich das über die recht geringe Empfindlichkeit tun, von nur minimal 50mV pro Teilung. Und vielleicht noch darüber, dass das Grundrauschen recht hoch ist. Selbst ohne angeschlossener Messleitung ist das Signal ständig leicht "vergritzelt". Aber das sind verschmerzbare, kleine Abstriche; was man hier für rund 140,- EUR erhält, ist eindeutig jeden Cent wert!
Demnächst kümmere ich mich mal um die Kalibrierung und berichte dann darüber.